Die Geschichte der EVN

Die EVN wurde im Jahr 1922 als Niederösterreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft NEWAG gegründet. Als Energie- und Umweltunternehmen ist die EVN eng mit dem Land Niederösterreich verbunden.

Ottenstein Staumauer Bau Archiv

Die Unternehmensgeschichte der EVN ist ein wesentlicher Teil der niederösterreichischen Landesgeschichte. Das EVN Archiv sichert die historischen Unterlagen des Unternehmens und erschließt sie für die Nutzung.

Im Folgenden erfahren Sie in den wichtigsten Zusammenhängen, wie im Laufe des 20. Jahrhunderts aus dem niederösterreichischen Landesstromversorger ein internationales Infrastrukturunternehmen mit den Schwerpunkten Energie- und Umweltdienstleistungen geworden ist.



Die EVN AG


Die börsenotierte EVN AG hat ihren Sitz in Maria Enzersdorf, Niederösterreich. Sie ging 1986 aus der Verschmelzung der niederösterreichischen Landes-Elektrizitätsgesellschaft NEWAG mit dem Erdgas- und Fernwärmeunternehmen NIOGAS hervor. Über zwei Börsegänge wurde die EVN 1989 und 1990 zu 49 % teilprivatisiert. Die Mehrheit von 51 % des Aktienkapitals gehört dem Land Niederösterreich. Zum Energiegeschäft mit den Sparten Strom, Erdgas und Wärme kam im Jahr 2001 die Wasserversorgung durch die EVN Wasser GmbH.

Weitere Konzernunternehmen beschäftigen sich mit der Trinkwasseraufbereitung und Abwasserreinigung, mit der thermischen Restmüllbehandlung, technischen Dienstleistungen und Telekommunikation. 2004 erwarb die EVN die Mehrheit an zwei bulgarischen Stromgesellschaften in Plovdiv und Stara Zagora. 2006 übernahm EVN den mazedonischen Stromverteiler, seit 2008 unter dem Namen EVN Macedonia. In Kroatien baut die EVN Gasversorgungsnetze im Raum Split und Zadar auf. 2012 begann die Belieferung der ersten Gaskunden in Zadar. Die EVN Umweltholding ist in über zwanzig Ländern tätig.


 

Stromversorgung von der Monarchie zur Republik


Die heutige EVN geht ursprünglich auf das 1907 gegründete Landes-Elektrizitätswerk des Erzherzogtums Österreich unter Enns zurück. Das Landes-Elektrizitätswerk baute für die Elektrifizierung der Mariazellerbahn und die Belieferung der Stadt St. Pölten das Wasserkraftwerk Wienerbruck. Bei seiner Eröffnung 1911 war Wienerbruck das größte Speicherkraftwerk Österreich-Ungarns. Nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie und der Teilung des Erzherzogtums in die Bundesländer Niederösterreich und Wien wurde 1922 die NEWAG (Niederösterreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft) gegründet. Eigentümer waren die genannten Bundesländer und weitere öffentliche und private Aktionäre. Die Aufgabe der NEWAG bestand im Bau von Kraftwerken, dem Aufbau eines landesweiten Übertragungsnetzes und der Elektrifizierung bisher unversorgter Gebiete Niederösterreichs. Die Stromerzeugung erfolgte überwiegend aus Wasserkraft.



Expansion im Nationalsozialismus und Restitutionsbestrebungen in der Zweiten Republik  


Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde das Unternehmen in Gauwerke Niederdonau AG umbenannt. Die Gauwerke Niederdonau übernahmen mehrere bis dahin selbstständige Elektrizitätswerke, wodurch sich das Versorgungsgebiet stark vergrößerte. Die Städte Horn, Krems, St. Pölten, Waidhofen an der Ybbs und weitere Eigentümer von größeren Elektrizitätswerken wurden mit Vorzugsaktien der Gauwerke Niederdonau abgefunden.


Kleine E-Werke wurden unter politischem Druck bar aufgekauft. Nach 1945 strebten einige ehemalige Besitzer die Restitution ihres Eigentums an. Eines der beiden Kraftwerke des Elektrizitätswerks Lichtenstern in Wilhelmburg wurde seinem jüdischen Eigentümer rückgestellt, das zweite, größere, verblieb im NEWAG-Eigentum. Alle anderen Rückstellungsklagen blieben erfolglos, wobei die Rückstellungskommission (das zuständige Gericht) argumentierte, die Übernahme der betroffenen Elektrizitätswerke sei quasi als Vorgriff auf die spätere Verstaatlichung geschehen und wäre über kurz oder lang ohnehin erfolgt.


1942 -1944 bauten die Gauwerke das erste Erdgas-Kraftwerk des Landes in Neusiedl an der Zaya. Der Velox-Kessel des Schweizer Lieferanten BBC gilt als technischer Meilenstein (Abgasturbine und Verbrennungsluftverdichter). 



Verstaatlichung


Mit der Verstaatlichung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft 1947 (2. Verstaatlichungsgesetz) wurde das Land Niederösterreich Alleineigentümer der NEWAG. Die meisten der noch bestehenden selbständigen Elektrizitätsversorger wurden von der NEWAG übernommen. Ein jahrzehntelanger Rechtsstreit um das von den Wiener Stadtwerken versorgte Wiener Umland wurde erst im Zuge der Marktöffnung Ende der 1990er Jahre beigelegt, als EVN und Wiener Stadtwerke die EnergieAllianz Austria gründeten.



Vollelektrifizierung 


Nach Kriegsende 1945 setzte sich die NEWAG die Vollelektrifizierung des Landes zum Ziel. Im Alpenvorland, in der Buckligen Welt und im Waldviertel lebten noch zahlreiche Menschen ohne elektrischen Strom. Als letzte Gemeinde wurde 1963 Harmanschlag im nordwestlichen Waldviertel ans NEWAG-Netz angeschlossen. 



Kraftwerksbau 


In den Nachkriegsjahrzehnten bis etwa 1980 verdoppelte sich der Stromverbrauch alle zehn Jahre. Durch den Bau neuer Kraftwerke hielt die NEWAG mit dem Bedarf Schritt. Bereits in den 1950er Jahren errichtete die NEWAG eine Wasserkraftwerkskette am Kamp mit den Speicherkraftwerken Dobra-Krumau und Ottenstein, die auch landschaftliche und touristische Akzente setzten. Danach wurde verstärkt in Wärmekraftwerke investiert, weil der Ausbau der Donau, dem energiereichsten Fluss Niederösterreichs, in den Händen des Verbundkonzerns lag. Das modernste Kraftwerk der EVN ist das hauptsächlich mit Erdgas betriebene Kraftwerk Theiß bei Krems. Das Tochterunternehmen evn naturkraft betreibt zahlreiche Windparks und über 60 Kleinwasserkraftwerke.



Erdgasunternehmen NIOGAS


Eine energiepolitische Zäsur war die Gründung des niederösterreichischen Erdgasversorgers NIOGAS durch die NEWAG und das Land Niederösterreich im Jahr 1954. Beginnend mit dem Gaswerk Baden kaufte die NIOGAS die städtischen Gaswerke Niederösterreichs auf und stellte sie auf Erdgas um (Baden, Krems, Stockerau, St. Pölten, Wiener Neustadt).

Binnen weniger Jahre wurde ein Hochdruckleitungsnetz verlegt, das die Belieferung der energieintensiven Industriebetriebe des Landes mit Erdgas ermöglichte. Die NIOGAS bezog das Erdgas von der staatlichen ÖMV (heute OMV). Bis Mitte der 1960er Jahre deckte die inländische Erdgasförderung den Bedarf.



Krise und Sanierung


Nach der stürmischen Wachstumsphase der Nachkriegszeit gerieten NEWAG und NIOGAS 1966 in schwere Turbulenzen. In der Person des Landespolitikers und NEWAG-Generaldirektors Viktor Müllner spitzten sich Konflikte zwischen Unternehmens- und Landesinteressen zu. Es gab mehrere Fälle von unrechtmäßiger Begünstigung Dritter. Müllner musste seine Funktionen zurücklegen und wurde vor Gericht gestellt. Die NIOGAS war konkursreif und drohte die NEWAG mitzureißen. 1968 wurde ein neuer Vorstand unter Generaldirektor Rudolf Gruber bestellt, dem mit finanzieller Unterstützung und politischer Rückendeckung der Landesregierung die Sanierung von NEWAG und NIOGAS gelang. 



Erdgasimport aus der Sowjetunion


1968 schloss Österreich als erster westlicher Staat einen Erdgas-Importvertrag mit der Sowjetunion, an dem die NIOGAS als Abnehmerin von Importgas beteiligt war. Das sowjetische Erdgas deckte die starken Bedarfssteigerungen der folgenden Jahrzehnte. In den 1980er Jahren beteiligte sich die NIOGAS (bzw. die EVN) an der Erschließung des norwegischen Troll-Gasfeldes in der Nordsee. Früher als andere Unternehmen ging die NIOGAS bei der Versorgung von Privathaushalten in die Fläche, wodurch auch auf dem Land ein großer Teil der Bevölkerung Zugang zu diesem sauberen und wirtschaftlichen Energieträger erhielt.



Verschmelzung zur EVN


Eine Verschmelzung der gesundeten Unternehmen stand bereits um 1970 zur Diskussion. Steuerliche Gründe sprachen aber dagegen, weshalb NEWAG und NIOGAS 1972 in einer sogenannten Vollorganschaft zusammengeführt wurden (gemeinsamer Vorstand, gemeinsame Bilanzierung, gleiche Unternehmensorganisation von NEWAG und NIOGAS). Als sich die steuerlichen Rahmenbedingungen änderten, wurden NEWAG und NIOGAS 1986 fusioniert. Das fusionierte Unternehmen erhielt wenig später den Namen EVN AG. (Die zu Jahresbeginn 1988 eingeführte Marke EVN steht für Energie-Versorgung Niederösterreich).



Börsegang, Liberalisierung 


Die 1980er Jahre brachten auch in Österreich politisch eine Abkehr vom bisherigen Verstaatlichungs-Paradigma. 1987 wurde das 2. Verstaatlichungsgesetz novelliert und die Teilprivatisierung der staatlichen Elektrizitätsunternehmen zugelassen (51 % bleiben staatlich). Die EVN nutzte diese Möglichkeit und ging 1989 sowie 1990 in zwei Schritten mit 49 % des Aktienkapitals an die Börse. Es folgten sehr erfolgreiche Jahre der steigenden Umsätze, Gewinne und Börsenkurse. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stieg das Interesse strategischer Investoren an der EVN.


1995 trat Österreich der Europäischen Union bei. Der EU-Beitritt und die spätere EU-weite Öffnung des Strom- und Gasmarktes hatten weitreichende Folgen für die EVN, die neue Kooperationen einging und nach Südosteuropa expandierte. 1998 gründeten EVN und Wiener Stadtwerke ein gemeinsames Unternehmen, die EAA EnergieAllianz Austria, um den zuerst liberalisierten Großkundenmarkt zu bearbeiten. Seit Oktober 2001 ist der Strommarkt vollständig, d.h. auch für Privathaushalte, geöffnet, ein Jahr später wurde der Gasmarkt voll liberalisiert. Auf dem Erdgassektor bündelten OMV, EVN und weitere österreichische Unternehmen ihre Kräfte in der ECONGAS GmbH, die für die Erdgasimporte und die Großkundenbetreuung sorgt. Im Zuge eines weitreichenden „Legal Unbundling“, einer von der Regulierungsbehörde E-Control vorgeschriebenen selbständigen Führung der Strom- und Gasnetze, wurde 2006 die EVN Netz GmbH als 100%ige Tochter der EVN AG gegründet und 2013 in Netz Niederösterreich GmbH umbenannt. Die Umbenennung soll den diskriminierungsfreien Netzzugang unterstreichen.



Umweltholding und Engagement in Südosteuropa


Dem zunehmenden Konkurrenzdruck auf dem reifen Heimmarkt und den neuen Chancen in den südosteuropäischen Ländern begegnete die EVN mit einer strategischen Neuausrichtung. Zum Standbein Energieversorgung (Strom, Erdgas, Wärme) kommt verstärkt der Umweltbereich mit den Geschäftsfeldern Wasser/Abwasser in den Unternehmen evn wasser und WTE sowie thermische Müllbehandlung in der EVN Abfallverwertung Niederösterreich GmbH, der früheren AVN.


Sowohl im Energie- als auch im Umweltbereich expandiert die EVN international. In Niederösterreich versorgt die EVN rund 800.000 Kunden mit Strom 280.000 Kunden mit Gas und 40.000 Kunden mit Wärme. In Bulgarien und Mazedonien hat die EVN rund 2,2 Millionen Stromkunden. 2008 unterzeichnete EVN im Rahmen von Joint Ventures zwei Konzessionsverträge für Wasserkraftwerke in Albanien. Das gemeinsam mit dem Projektpartner Verbund errichtete Wasserkraftwerk Ashta I (am Fluss Drin) ging 2012 in Betrieb. 2013 verkaufte die EVN ihren Anteil am zweiten albanischen Kraftwerksprojekt Devoll an die norwegische Statkraft.


Auf dem österreichischen Heimmarkt legt die EVN besonderes Augenmerk auf den Ausbau erneuerbarer Energien und die dafür erforderlichen Optimierungen des Leitungsnetzes. Ein weiterer Investitionsschwerpunkt der letzten Jahre ist die Erweiterung, Sicherung und weitere Qualitätsverbesserung der Wasserversorgung durch die evn wasser.

EVN Chronik

Die EVN Chronik bietet einen detaillierten Überblick über die Geschichte des Unternehmens.  

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Weitere Infos


Brusatti, Alois; Swietly, Ernst A.: Erbe und Auftrag. EVN. Ein Unternehmen stellt sich vor. St. Pölten 1990. Rigele, Georg: Zwischen Monopol und Markt. EVN das Energie- und Infrastrukturunternehmen. EVN: Maria Enzersdorf 2004. EVN Netz GmbH (Hg.): Das 60-kV-Netz der EVN 1923–2008. Maria Enzersdorf 2008.